Göttingen, den 20.08.2024
Pressemitteilung der Ethikkommission für Berufe in der Pflege – Niedersachsen
„Helfen Sie mir sterben?!“ Konfrontation von Pflege(fach)personen mit Todeswünschen oder Bitten um assistierten Suizid –
Empfehlung der Ethikkommission für Berufe in der Pflege – Niedersachsen bietet Orientierungshilfe
Pflegefachpersonen sind häufig die ersten Ansprechpartner von Personen mit Todeswünschen oder Bitten um assistierten Suizid. Oftmals sind sie darauf nicht ausreichend vorbereitet und sehen sich ethischen Konflikten ausgesetzt. Sie fühlen sich einem pflegerischen Ethos verpflichtet, das den Respekt der individuellen Autonomie betont, aber auch eine umfassende menschliche Fürsorge beinhaltet. Darüber hinaus können Leitbilder und Orientierungsvorgaben von pflegerischen Institutionen und Organisationen im Widerspruch zu den persönlichen moralischen Überzeugungen der Mitarbeitenden stehen und zusätzliche Konflikte verursachen.
Vor diesem Hintergrund möchte die Ethikkommission für Berufe in der Pflege beruflich Pflegenden eine Orientierungshilfe bieten. Mit einem Angebot von Fragen, die sowohl die Perspektive der einzelnen Pflegefachperson, als auch die Perspektive des Teams und der Organisation berücksichtigen, kann eine konkrete Situation im Zusammenhang mit Todeswünschen oder der Bitte nach assistiertem Suizid reflektiert werden. Pflegefachpersonen sollen so unterstützt werden, mit ihrer Betroffenheit umzugehen und eine eigene ethische Position zu entwickeln.
Für den Fall, dass Pflegefachpersonen bei einer Suizidassistenz mit ihrer Expertise mitwirken, müssen sie zwingend an den vorausgehenden Urteilsbildungs- und Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Damit sich Pflegefachpersonen mit ihrer spezifischen Kompetenz und professionellen Perspektive aktiv in diese Prozesse einbringen können, sind aus Sicht der Ethikkommission entsprechende Weiterbildungen dringend zu empfehlen.
Beruflich Pflegende tragen Verantwortung für die differenzierte Wahrnehmung von Todeswünschen oder Bitten nach Suizidassistenz als auch für die qualifizierte Begleitung von Personen, die solche Wünsche äußern. „Diese professionelle Rolle muss von Pflegefachpersonen erkannt und wahrgenommen sowie in der interprofessionellen Zusammenarbeit respektiert werden“ stellt Henrikje Stanze, Mitglied der Ethikkommission und Professorin im Internationalen Masterstudiengang für Palliative Care M.Sc. sowie Internationalen Studiengang für Pflege B.Sc. an der Hochschule Bremen, heraus.
Eine Kurz- sowie eine Langfassung der Empfehlung der Ethikkommission für Berufe in der Pflege findet sich unter: www.pflegeethikkommission-nds.de
Information:
Die Ethikkommission für Berufe in der Pflege wurde durch das niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung berufen. Ihre 17 Mitglieder geben beruflich Pflegenden Hilfestellung, indem sie
zu berufsethischen Fragen der Pflegepraxis beraten und Stellungnahmen zu aktuellen Themen erarbeiten.
Kontakt:
Ethikkommission für Berufe in der Pflege, Niedersachsen
Geschäftsstelle
Humboldtallee 36
37073 Göttingen
Telefon: 0551-39 35345
E-Mail: info@pflegeethikkommission-nds.de
Info: www.pflegeethikkommission-nds.de
Göttingen, den 18.03.2024
Ethikkommission für Berufe in der Pflege – Niedersachsen unterzeichnet Erklärung
„Menschen mit Migrationshintergrund sind selbstverständlich Teil unserer Gesellschaft. Auf ihren Beitrag will und kann die medizinsche und pflegerische Versorgung in Deutschland nicht verzichten.“
Die Ethikkommission für Berufe in der Pflege – Niedersachsen hat gemeinsam mit mehr als 200 Verbänden und Organisationen aus dem Gesundheitswesen die Erklärung
„Demokratie und Pluralismus als Fundament für ein menschliches Gesundheitswesen“ unterzeichnet.
Gemeinsame Erklärung von Verbänden und Organisationen aus dem Gesundheitswesen
Demokratie und Pluralismus als Fundament für ein menschliches Gesundheitswesen
Berlin, 18.03.2024 – Demokratie und Pluralismus sind Grundvoraussetzungen für ein Leben in Frieden und Freiheit. Sie sind elementar für das Wohlergehen unseres Landes und Fundament für das Zusammenleben und Zusammenwirken in allen Bereichen unseres gesellschaftlichen Miteinanders. Auf dieser Basis steht auch und gerade das Gesundheitswesen in Deutschland. Hier zählen Toleranz, Mitmenschlichkeit und Vielfalt, denn Medizin kennt keine Grenzen. Die Beschäftigten in unserem Gesundheitswesen kommen aus allen Teilen der Welt. Patientinnen und Patienten werden gemäß unserem beruflichen Ethos unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion, sozialem Status oder sexueller Orientierung medizinisch versorgt.
Ärztinnen und Ärzte als Initiatoren dieser Erklärung wie auch weitere Professionen aus dem Gesundheitswesen betrachten deshalb mit großer Sorge, wie Hass und Hetze zunehmen und unsere demokratischen Werte mehr und mehr in Frage gestellt werden. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte sind für ein menschliches, diskriminierungsfreies Gesundheitswesen essenziell. Menschen mit Migrationshintergrund sind selbstverständlich Teil unserer Gesellschaft. Auf ihren Beitrag will und kann die medizinische und pflegerische Versorgung in Deutschland nicht verzichten. Der Austausch von Ideen und die Zusammenarbeit mit Menschen aus verschiedenen Nationen und Kulturen bereichern unsere Arbeit, sie sind unerlässlich für wissenschaftliche Exzellenz und medizinischen Fortschritt.
Es ist ermutigend, dass Woche für Woche hunderttausende Menschen für den Erhalt von Freiheit und Demokratie auf die Straße gehen. Es ist unser aller Aufgabe, unsere freiheitliche Grundordnung gegen demokratiefeindliche Kräfte zu verteidigen, uns jeglichen radikalen, ausgrenzenden Tendenzen entgegenzustellen und für die Achtung der Menschenwürde einzustehen.
Diesem Ansinnen fühlen sich die Berufsgruppen und die Einrichtungen in unserem Gesundheitswesen in besonderer Weise verpflichtet.
Göttingen, den 05.03.2024
Stellungnahme Ethikkommission für Berufe in der Pflege – Niedersachsen
„Professionelle Pflege in Niedersachsen ist bunt!“ – Ethikkommission für Berufe in der Pflege Niedersachsen spricht sich für Vielfalt und Toleranz in der Pflege aus.
In der Versorgung von Menschen mit Pflegebedarf stehen wir in der Bundesrepublik Deutschland vor großen Herausforderungen. Die Vielfalt der Mitarbeitenden unterschiedlichster Nationalitäten, Kulturen und Religionen in der Pflege sorgt für die Aufrechterhaltung der pflegerischen Versorgung von Menschen in Niedersachsen. Sie steigert die pflegerische Qualität durch den Erfahrungsaustausch und das Fachwissen aus anderen Ländern. Die professionelle Pflege wie auch die Medizin wachsen dabei durch internationale Erkenntnisse. Diese tragen zu einer Verbesserung der Pflege, Versorgung, und Begleitung von Menschen mit Unterstützungsbedarf bei.
Pflege ist ein bedeutender gesellschaftlicher Ort, der sich durch lebendige Integration, Vielfalt und Toleranz auszeichnet und von seinem professionsethischen Grundverständnis her unvereinbar ist mit Ausgrenzung, Diskriminierung und Intoleranz. Die Grundlage für ein verantwortungsvolles ethisches Handeln von Pflegefachpersonen ist der Ethikkodex des International Council of Nurses (ICN). Dieser besagt, dass „[…] Kolleg*innen aus anderen Kulturen und Ländern nicht [diskriminiert werden dürfen], weder aufgrund ihrer Nationalität noch wegen ihrer ethnischen oder kulturellen Zugehörigkeit oder Sprache“ (ICN, S. 19).
Die Ethikkommission für Berufe in der Pflege in Niedersachsen sieht es vor dem Hintergrund des pflegerischen Berufsethos als unverzichtbar an, dass alle Pflegefachpersonen in Niedersachsen „[…] ein Umfeld [fördern], in dem die Menschenrechte, Werte, Bräuche, religiösen und spirituellen Überzeugungen von Einzelnen, Familien und Gemeinschaften von allen anerkannt und respektiert werden. Die Rechte von Pflegefachpersonen sind Teil der Menschenrechte und sind zu wahren und zu schützen […]“ (ICN, S. 9).
Die Ethikkommission für Berufe in der Pflege in Niedersachsen spricht sich für Integration, Vielfalt und Toleranz in der Pflege aus. Schutz- und Gleichbehandlungsrechte genießen alle pflegebedürftigen Personen ebenso wie Menschen mit einer Behinderung. Die Mitglieder der Ethikkommission lehnen jegliche Form von Diskriminierung und Ausgrenzung am Arbeitsplatz von internationalen Mitarbeitenden ab – unabhängig davon, ob sie von Kolleg*innen, Patient*innen, Bewohner*innen oder von An- und Zugehörigen ausgeht.
Göttingen, den 05.07.2023
Pressemitteilung Ethikkommission für Berufe in der Pflege – Niedersachsen
Ethikkommission für Berufe in der Pflege regt Berücksichtigung der Pflegefachpersonen bei der gesetzlichen Regelung zum assistierten Suizid an.
Am Donnerstag, dem 6. Juli 2023, will der Deutsche Bundestag über eine gesetzliche Regelung der Suizidbeihilfe entscheiden. Der Deutsche Bundestag reagiert damit auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe 2020 für verfassungswidrig erklärt hatte.
Aus fraktionsübergreifenden Gruppen passierten zwei Gesetzesentwürfe den Rechtsausschuss und liegen morgen zur Abstimmung vor.
Die Ethikkommission für Berufe in der Pflege – Niedersachsen begrüßt, dass sich der Bundestag mit der gesetzlichen Regelung aktiv auseinandersetzt, regt für die der Beschlussfindung vorausgehende Diskussion jedoch an, dass in beiden Gesetzesentwürfen die Rolle von Pflegefachpersonen bei einer Suizidbeihilfe stärker bedacht werden sollte.
Wie aus repräsentativen Studien bekannt ist, sind es überwiegend Pflegefachpersonen, die mit dem Todeswunsch von Patient:innen, Bewohner:innen und Klient:innen zuerst konfrontiert sind und dies häufig auch in größerem Ausmaß als andere Berufsgruppen. Im Rahmen der primären Kommunikation, Beratung und Netzwerkarbeit wird eine Pflegefachperson intensiv in der Begleitung während der Suizidassistenz sowie in der Begleitung der Angehörigen nach erfolgter Suizidassistenz eingebunden. „Pflegende müssen ihre Rechte und Pflichten in diesem Bereich kennen, um im Einklang mit dem pflegerischen Ethos professionell und verantwortlich handeln zu können“, gibt Henrikje Stanze, Mitglied der Ethikkommission und Professorin für Pflegewissenschaften mit Schwerpunkt Palliative Care an der Hochschule Bremen, zu bedenken.
Die Ethikkommission für Berufe in der Pflege – Niedersachsen möchte vor der endgültigen Beschlussfassung anregen, die Pflegefachberufe aktiv in eine gesetzliche Regelung des assistierten Suizid einzubinden, ihre tragende Rolle in diesem Bereich gesetzlich zu bestätigen und den Berufsstand damit zu schützen. Pflegerische Hilfe wird beim assistierten Suizid noch zu wenig thematisiert und die damit verbundenen ethischen Herausforderungen vor dem Hintergrund des professionellen Pflegeethos zu selten in den Blick genommen.
Es sollte unter anderem geregelt werden, ob – analog zur Verabreichung von Opiaten – die Gabe eines den Tod herbeiführenden Medikaments (nachträgliche Anmerkung: gemeint ist die Bereitstellung eines den Tod herbeiführenden Medikaments, das die Patient:in selbst einnimmt) im Rahmen der Suizidbeihilfe von Ärzt:innen an Pflegefachpersonen delegiert werden darf. Die Relevanz einer solchen Klarstellung wird durch internationale Studien unterstrichen, die belegen, dass eine solche Delegation in der Praxis tatsächlich stattfindet.
Die Ethikkommission für Berufe in der Pflege möchte zudem anregen, den Fokus in besonderem Maße auf eine gesetzlich geregelte Suizidprävention, vor allem mit Blick auf psychisch erkrankte Personen, betagte und hochbetagte Menschen, zu richten.
Die Ethikkommission für Berufe in der Pflege wurde zum 1. Januar 2023 vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung ins Leben gerufen. Diese Kommission ist die erste ihrer Art in Deutschland. Die interprofessionell, mit 17 Mitgliedern besetzte Ethikkommission soll Angehörige der Pflegefachberufe und deren Organisationen durch Empfehlung und Beratung in der täglichen Praxis Orientierung geben und bei ethischen Entscheidungen unterstützen.
17.03.2023
Ethikkommission für Berufe in der Pflege in Niedersachsen gegründet
Bundesweit einzigartig: Sozialministerium des Landes Niedersachsen etabliert landesweite Anlaufstelle für Pflegende bei ethischen Fragen. Gründungssitzung am Freitag, dem 17. März 2023, im Beisein des Niedersächsischen Ministers für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, Dr. Andreas Philippi.
(ms/umg) Der Umgang in der Pflege mit dementiell veränderten Menschen und mit Sterbe- und Suizidwünschen oder die pflegerische Versorgung in Zeiten des Pflegefachkräftemangels werfen ethische Fragen auf. Damit sind auch Pflegende in ambulanten Diensten, Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern und Kliniken in ihrem Berufsalltag häufig konfrontiert. Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung will Angehörige der Pflegeberufe im Umgang mit diesen Fragen stärken. Es hat dazu mit der Verordnung zum 1. Januar 2023 eine Ethikkommission für Pflegeberufe eingerichtet. Diese Kommission ist die erste ihrer Art in Deutschland. Die Ethikkommission für Pflegeberufe soll Berufsangehörigen und deren Organisationen durch Empfehlung und Beratung in der täglichen Praxis Orientierung geben und bei ethischen Entscheidungen unterstützen. Die konstituierende Sitzung der landesweit neuen Einrichtung fand am Freitag, dem 17. März 2023, in der Akademie für Ethik in der Medizin Göttingen statt.
„Die Pflege steht vor großen Herausforderungen. Dem wollen wir etwas entgegensetzen“, sagte Dr. Andreas Philippi, Niedersächsischer Minister für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, während der konstituierenden Sitzung der Ethikkommission für Berufe in der Pflege in Niedersachsen. Philippi betonte: „Die Arbeit der Ethikkommission soll den Pflegekräften Sicherheit in der täglichen Praxis geben. Unabhängig von verbandlichen und politischen Interessen bringen sie ihre individuelle Sichtweise auf die Pflege in die interdisziplinäre Diskussion ein.“
Die 17 Mitglieder der interdisziplinär besetzten Ethikkommission sind auf Vorschlag von Berufs- und Fachverbänden für vier Jahre berufen. Zu den Mitgliedern gehören Personen aus Pflegepraxis und Pflegewissenschaft, Philosophie, Theologie, Rechtswissenschaften und Gesundheitsökonomie. Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung sowie deren Angehörige sind ebenfalls in der Kommission vertreten. Die Ethikkommission wird durch das Land Niedersachsen finanziell getragen und durch eine Geschäftsstelle unterstützt. Sie ist bei der Akademie für Ethik in der Medizin e.V. an der Universitätsmedizin Göttingen angesiedelt.
In der ersten Sitzung der neuen Ethikkommission am Freitag, dem 17. Juli 2023, stand unter anderem die Wahl der neuen Kommissionsleitung auf dem Programm. Die Kommission verständigte sich zudem über die Arbeitsgrundlagen und die Aktivitäten zur Öffentlichkeitsarbeit. Zum Vorsitzenden der neuen Ethikkommission für Pflegeberufe in Niedersachsen wurde der Pflegewissenschaftler Lutz Schütze (Hochschule Hannover, Lehrkraft für besondere Aufgaben, Abt. Pflege und Gesundheit der Fakultät V Diakonie, Gesundheit und Soziales) gewählt. Die Stellvertretung übernimmt die Medizin- und Pflegeethikerin Prof. Dr. Sabine Wöhlke (Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg, Department Gesundheitswissenschaften). Als ausgebildete Kranken- und Gesundheitspfleger*innen verfügen beide auch über langjährige praktische Berufserfahrung in der Pflege.
„Ethik in der Pflege ist keine Nebensache. Sie bietet beruflich Pflegenden Orientierung und konkrete Hilfestellungen, um ihren anspruchsvollen, gesellschaftlichen Auftrag wahrnehmen zu können“, sagt Lutz Schütze.
WEITERE INFORMATIONEN
Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung
Pressesprecherin
Stefanie Geisler
Telefon 0511 / 120-4168
stefanie.geisler@ms.niedersachsen.de
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität
Akademie für Ethik in der Medizin e.V.
Geschäftsstelle der Ethikkommission für Berufe in der Pflege
Dr. Katharina Beier, Telefon 0551 / 39-35345
Humboldtallee 36, 37073 Göttingen